Der Obstbau hat hierzulande eine lange Tradition. Einen entscheidenden Impuls lieferten die Naturforscher des 18. Jahrhunderts. Sie begannen mit der Katalogisierung der zahlreichen regionalen Sorten und verbreiteten das Wissen um Pflege, Veredelung und Vermehrung. Die Erkenntnis, dass Obst einen wichtigen Beitrag zu Ernährung und Volksgesundheit leisten kann, führte Anfang des 19. Jahrhunderts im ganzen Land zu zahlreichen Pflanzungsinitiativen.
Eine erste Obstzählung in Bissingen aus dem Jahr 1826 berichtet von lediglich 769 Bäumen und 85 Morgen Weinbergen. Durch das königliche Obstbauprogramm unter Wilhelm I. von Württemberg stieg der Bestand in den folgenden acht Jahren auf 1.135 Bäume mit nur noch 67 Morgen Weinbau.*
König Wilhem I. von Württemberg veranlasste das Obstbauprogramm nach einer Reihe von Missernten zu Beginn seiner Herrschaft. Er galt als "König der Landwirte" und gründete 1818 die Landwirtschaftliche Unterrichts- Versuchs- und Musteranstalt in Hohenheim, aus der später die Universität Hohenheim hervorging.
Johann Caspar Schiller, der Vater des Dichters Friedrich Schiller, gilt als Pionier der damals modernen Landwirtschaft. Dabei förderte er vor allem den Anbau von Obst-Sonderkulturen und den Weinbau ...
Eine weitere Zählung wurde 1938 im Rahmen des "Reichsnährstandsgesetzes" durchgeführt. Es sollte die Selbstversorung im Dritten Reich sichern und listet penibel auch noch den letzten Aprikosenbaum auf. Alternierende Sorten, z.B. Luiken, wurden gerodet und durch regelmäßig tragende ersetzt. Dadurch verringerte sich die Sortenvielfalt. Die Anzahl der Bäume stieg von 1943 bis 1946 auf die nie wieder erreichte Zahl von 30.491 an. Der Anteil der Kirschen war sprunghaft gewachsen, was den Ruf von Bissingen als "ausgezeichnetes Kirschenanbaugebiet" bestätigte.* Auch in der Nachkriegszeit waren eigene Obsterträge von existentieller Wichtigkeit.
Mit dem Wirtschaftsaufschwung verlor der Obstbau als Zubrot und Nebenerwerbsquelle rasch an Bedeutung. Im Jahr 1957 wurde mit dem "Generalplan für die Neuordnung des Obstbaus in Baden–Württemberg" auch bei uns das Zeitalter des Intensivanbaus eingeläutet. Nicht marktfähige Sorten sollten großflächig gerodet und auf geschlossene Niederstammanlagen umgestellt werden. Glücklicherweise ist man nicht in allen Regionen diesem Leitziel gefolgt. Damit wurde manche standortgerechte Lokalsorte vor dem Verschwinden bewahrt.
In den 70-er Jahren erlebte der Obstbau eine neuerliche Blüte. Bissinger Kirschen wurden sogar in England nachgefragt. Preisverfall, Kostendruck und auch die Schädlingsanfälligkeit der Hochleistungssorten forderten anschließend ihren Tribut.
Sie setzten ein Umdenken in Gang. Inzwischen werden die klimatoleranten, resistenten Streuobstbestände als Sortenreservoir geschätzt. Dass sie erhalten geblieben sind, ist bei uns wie auch andernorts ein Verdienst der Obstbauern und ihrer Vereine.
Weißes Meer am Rand der Alb
Die Zählung von 1989 zeigte, dass der Gesamtbestand, trotz zwischenzeitlich erfolgter Neupflanzung von Kirschen, deutlich gesunken war. Im Vergleich zu 1946 hatte er sich um 40% verringert. Lediglich Zwetschgen und Kirschen hatten ihren vergleichsweise geringen Anteil knapp behauptet. Der inzwischen erkannte Stellenwert der Lokalsorten konnte diesen Trend lediglich bremsen. Selbst wenn der Einsatz der Erwerbsobstbauern und privater Initiativen im Rahmen der Landschaftpflege und –erhaltung durchaus geschätzt und gefördert wird.
Der OGV setzt sich durch die Pflege alter Bestände dafür ein, dass Landschaft und Sorten auch für künftige Generationen erhalten bleiben, z.B. durch die Betreuung gemeindeeigener Streuobstwiesen und die Einrichtung eines Altsorten-Muttergartens. Dazu erfahren Sie mehr auf unseren Projektseiten ...
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